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JACK UNTERWEGER UND WIR WEIBER

Bet Tina

Magazintext | erschienen in Wienzeile 9

Wir liegen ihm zu Füßen. Mag sein, er sieht nicht unbedingt überwältigend aus. Er ist schmächtig und sein Body beeindruckt nicht sehr. Dafür aber hat er das, was wir Weiber wirklich wollen: diesen berauschenden Hauch von Brutalität, diese gnadenlose Grausamkeit, nach der wir alle insgeheim lechzen, und die man uns in diesen gleichberechtigungsverseuchten Zeiten ach so häufig verwehrt. Viel zu lange schon hat man uns einzureden versucht, wir sollten uns an Männer halten, die nicht einmal richtig zuschlagen können. Lächerlich! Wie sollen wir denn vor so einem Kerl Achtung haben, dessen feige Skrupel es ihm verbieten, uns mit der Stahlrute blutig zu bearbeiten? Wenn ihr wüßtet, ihr partnerschaftlichen, friedfertigen, liebevollen Waschlappen, mit welch heimlichem Genuß wir es sehen, wenn die Verfilmung von Jacks heroischem Leben über den Fernsehschirm läuft. Da steigt zum Beispiel eine ihm in unterwürfiger Freundschaft ergebene Prostituierte in sein Auto ein und lispelt verführerisch: "Ich habe lange auf dich gewartet, Jack." Daraufhin fackelt er nicht lange und drischt wortlos auf die Frevelhafte ein – das nennen wir Männlichkeit! Endlich ein Kerl, der nicht lange nach Gründen sucht, um unsereins Saures zu geben. Wir stoßen uns auch nicht daran, daß seine kümmerliche Statur ihn daran hindert, sich mit seinen Geschlechtsgenossen anzulegen – so richtet sich seine Gewalttätigkeit ausschließlich gegen uns, die wir es niemals wagen würden, uns gegen ihn zur Wehr zu setzen. Und wie beschrieb er doch seinen Mord – die Heldentat, die ihm zu seinem Ruhm verhalf – so unvergleichlich poetisch: er habe ein Mädel "zu heftig massiert." Welch wohlige Schauer überrieseln unsere schmählich striemenfreien Rücken bei dem Gedanken daran, wie er diese Glückliche zu Tode quälte. Und erst all die anderen, von denen man behauptet – bewiesen ist es ja noch nicht –, daß seine zärtliche Strumpfhosenhalsmassage ihnen auf immer die Luft wegnahm ... Wie kann man da von "Opfern" sprechen? Würde sich nicht jede von uns freiwillig und mit Freuden einer solchen Behandlung unterziehen? Das wahre Opfer ist doch Jack, den eine verständnislose Gesellschaft einfach eingebuchtet hat, obwohl wir alle wissen, wie sehr der Ärmste hinter Gittern leiden muß. Seine Tränen wühlen uns bis in das Innerste auf. Denn nur wir mütterlichen Seelen begreifen, was für ein zartbesaiteter Junge er hinter seiner harten Fassade wirklich ist. Gut, wir sehen es ein, wenn in diesem Land eine Frau, die ihren sadistischen Gatten mit dem Fleischerschlögel ins Jenseits beförderte, dafür seit fünfunddreißig Jahren ihre Strafe absitzen muß. Wir sehen es auch ein, wenn in diesem Land ein neunzehnjähriger Schwuler, der mit einem achtzehnjährigen Schwulen ins Bett geht, für diese Untat bis zu fünf Jahre in den Knast wandern kann. Was wir aber nicht verstehen ist, warum ein Genie wie Jack wegen eines so kleinen Kavaliersdeliktchens, eines Mißgeschickes, einer unglücklicherweise etwas zu heftig verlaufenen Massage ganze grausame sechzehn Jahre im Kerker verbringen muß. Man lasse uns Frauen über seine Freilassung abstimmen, und nicht einen Tag länger würde er in der Zelle schmachten. Wir haben nun einmal eine angeborene Sklavennatur, und Sklavinnen bedürfen eines Herrn und Meisters, der sie mit wenig Zuckerbrot und viel Peitsche erzieht. Fassungslos lesen Österreichs Männer von Jacks Popularität bei uns Frauen, die er verachtet, haßt und mit Sorgfalt malträtiert. Die er mißhandelt ohne Gnade und abmetzelt ohne Reue. Ja, was haben Sie denn gedacht, meine Herren? Daß wir umhätschelt und umsorgt, gestreichelt und umschmeichelt werden wollen? Daß es uns nach süßen Worten, zärtlichen Umarmungen und sanften Schmusereien verlangt? Mitnichten! Der Neid frißt uns auf, wenn wir an Bianca denken, die ihr Bett mit einem wahrhaftigen Frauenmörder teilen darf. Welch gruselige Wonne müssen seine Schlächterhände erzeugen, wenn sie ihr im lustvollen Spiel die Fesseln anlegen! Auch die Prostituierte Claudia bekannte: "Ich verstehe die Bianca", nachdem sie von Unterweger in Handschellen gelegt und so richtig in Angst und Schrecken versetzt worden war. Und: "Ich würde jederzeit wieder mit ihm gehen, auch ohne Geld." Wir verstehen dich, Claudia. Für so einen wundervollen Burschen würden wir glatt noch selbst Geld hinblättern. Darum appellieren wir an eine fehlgeleitete Gerichtsbarkeit, die uns solcher Männer beraubt: "Freiheit für Jack! Nieder mit dem Gesetz!" Und an alle verweichlichten, frauenfreundlichen Männer, die es noch immer nicht kapiert haben, richten wir hiermit die unverblümte Aufforderung: Prügelt uns blutig und blau! Besorgt euch Stahlruten, Peitschen, Handschellen und sonstiges Folterzubehör! In Ermangelung eines solchen: Gebraucht eure Fäuste! Vergewaltigt, schändet, mißhandelt uns! Und wenn ab und zu eine dabei draufgeht, nehmen wir euch das nicht krumm. Wir Weiber wollen es so!

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